Brennball- Weltmeisterschaft 1997 in Umeå

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Nach einem Jahr emsigen Trainings war es im Mai endlich so weit, daß wir uns zur Brennballweltmeisterschaft in den Norden Europas aufmachten.
Natürlich waren wir - insgesamt 20 hochmotivierte Spieler - nicht nur als Sportler in Schweden, sondern wollten in den acht Tagen dort das Land und die Menschen kennenlernen.

Es war ja nun nicht gerade so, daß wir uns als eine einheitliche Gruppe unserem Reiseziel näherten: Da gab es zunächst einmal zwei größere Stoßtrupps. Der eine Teil flog über Paris nach Stockholm, während der andere die Hauptstadt Schwedens nach einer Zwischenlandung in Brüssel erreichte. Daneben gab es noch Einzelreisende, die über London flogen oder sogar mit dem Auto anreisten. Enormes Pech hatten die Gäste der Air France, denn durch einen Fluglotsenstreik saß der ganze Trupp in Paris fest - es gab nervenzehrenden Stunden des Wartens und der Ungewißheit, überhaupt noch in den Norden zu kommen. Die Fluggesellschaft konnte die bis aufs äußerste gereizten Passagiere nur damit beschwichtigen, daß sie sie für eine Nacht in ein Viersternehotel einquartierte, wo man sich den anstrengenden Tag schließlich im Whirlpool noch mit Synchronschwimmen versüßte. Der andere Teil der Gruppe übernachtete in einem für Schweden typischen "Vandrarhem", und hatte mehr Zeit die farbenfrohen Straßen und Gäßchen der Gamla Stan, dem malerischen Altstadtviertel von Stockholm, oder das beeindruckende Vasa- Museum (einem restaurierten Kriegsschiff aus dem Dreißigjährigen Krieg) zu besichtigen, sowie den Frühling in der schwedischen Metropole zu genießen. Am Abend des zweiten Reisetages trafen wir uns schließlich doch alle am Hauptbahnhof und fuhren mit dem Nachtzug in der nicht enden wollenden Abenddämmerung nach Norden. Umeå, Würzburgs Partnerstadt die 1640 km nördlich liegt, fanden wir am folgenden Morgen um Acht zunächst menschenleer vor. Die Eisschollen waren auf dem Umeälven schon geschmolzen, doch ließ der Frühling noch auf sich warten; die Bäume waren noch weitestgehend kahl.

Am frühen Abend dieses Sonntags brachte uns ein Bus an die Küste. Dort standen wir erst alleingelassen vergebens an; es gab keine Spur vom Fährschiff. Schließlich kam das ersehnte Gefährt doch, und wir setzten über zur Insel Holmön. Die folgenden beiden Tage verbrachten wir dort in komfortablen Waldhütten, eingebettet in der Natur: umgeben von Mooren, Kiefer- und Latschenwälder, Küsten mit flechtenüberzogenen Felsen und rundgespülten Steinen, bei einem Licht, das selbst mitternachts nicht ganz verlosch; wir befinden uns nur 250 km unterhalb des Polarkreises.

Unter einem, für normale mitteleuropäische Verhältnisse einfach unglaublich blauen Himmel streiften wir über das Eiland und hatten alsbald das Gefühl für die Zeit verloren, wanderten, saunierten und faulenzten. Ein hartes Trainingslager war es wohl nicht gerade, aber ein sehr angenehmes. Einen Tag unternahmen wir auch einen Ausflug zur benachbarten Vogelinsel, was eine verwegen-abenteuerliche Bootsfahrt einschloß.

Zurück in Umeå verteilten wir uns auf verschiedene Studentenwohnheime und Privathaushalte - etwa ein Drittel von uns waren bereits einmal als Austauschstudenten an der Universität von Umeå, so daß es ein freudiges Wiedersehen mit Bekannten und Freunden gab. Da unsere Tage weitestgehend ausgefüllt waren mit Besichtigungen und Stadtbummeln, nutzten wir zweimal die späten Abendstunden von 22:00 bis 0:00 Uhr zur Einstimmung auf den Wettkampf mit einem ausgiebigen Training, das eine mal zwang uns der Nebel, das andere mal die uns überwältigende Müdigkeit, das Spiel einzustellen. Von der Stadt Umeå wurden wir sogar zu einer Führung eingeladen: Wir sahen das Ski- und Heimatmuseum, das Wasserkraftwerk des Umeälv, erfuhren viele Einzelheiten über die Bauten und die Geschichte der "Stadt der Birken". Gestärkt durch einen saftigen Rentierbraten, wanderten wir anschließend am Tavelsjöberget und bekamen auch noch umstrittene steinzeitliche Felszeichnungen zu Gesicht.

Derweil hatten schon die Ausscheidungsspiele der Brennball- WM begonnen. In diesem Jahr haben 1143 Mannschaften teilgenommen. Sie stammten hauptsächlich aus Schweden, aber auch aus Finnland, Norwegen und Rußland, zusätzlich zu unseren deutschen Teams. Bei dem Turnier besteht auch die Tradition, daß die Mannschaften sich ein phantasievolles Kostüm und 'nen witzigen Namen einfallen lassen: So gab es blaugeschminkte Schlümpfe, wie Asterix behelmte und bewaffnete Wikinger und sogar Elche mit echtem Plüschgeweih.


Das ganze Turnier hatte Volksfestcharakter. Es erstreckte sich über vier Tage und wurde an der Universität auf 60 Spielfeldern ausgetragen. Am ersten Wettkampftag stellte sich unsere Frauenmannschaft, das "Alles wird gut"-Team, geschminkt und mit bunten Pfeifenputzern im Haar dem Kampfgeschehen. Ein harter Gegner waren die overstylten "Hot Lips", hier konnte kein Sieg errungen werden. Anders bei dem folgenden Spiel gegen die Mannschaft des "Vardsgymnasiet"; hier mußten die Schweden eine große Schlappe durch die Würzburger Frauen einstecken, die mit 19 Punkten Vorsprung gewannen. Den Abend entspannten wir uns, erschöpft von Spiel und Cheerleading, im Café "Station" und suchten noch Hansis Stammkneipe "Mucki Duck" auf (in mancherlei Hinsicht eher ein Pub für die Landbevölkerung).

Unsere anderen beiden (gemischtgeschlechtlichen) Mannschaften, die "Besserschmitts" und die "Besserwisser", waren am folgenden Tag an der Reihe. Die Gegner der "Besserschmitts" spielten wohl auch eher aus Spaß an der Freude, und es gab keinerlei Verbissenheit: Die eine Mannschaft glich eher einem Kegelverein im blauen Trainingsanzug, wo sich so manches Bierbäuchlein zeigte; das andere Team bestand aus recht lockeren Reggae- Leuten mit Spitzbärtchen und cooler Sonnenbrille und 'nem Six- Pack zur Einstimmung. Trotz sportlichen Kampfgeistes und unermüdlichen Einsatzes konnten die tapferen Besserschmitts aus dieser Runde nicht als Poolsieger hervorgehen, aber arg viel hat nicht dazu gefehlt. Es war also schon ein spannender Vormittag, doch nachmittags ging es mit einem wahrlich nervenaufreibenden Match weiter. Die "Besserwisser" sahen sich mit einem kühl berechnenden, gegnerischen Team konfrontiert. Dieses hatte anfangs die Fähigkeiten der Mannschaft aus dem fernen "Tyskland" offensichtlich unterschätzt. Durch eine geschickten Einsatz der spielerischen Kräfte in unseren Reihen, war es den Gegner nicht möglich unser Team auszubrennen und sie konnten trotz aller Strategie einen Home- Run auf unserer Seite nicht verhindern. Dennoch unterlagen die "Besserwisser" haarscharf mit einem Punkt.

Da die dritte Mannschaft des Pools nicht antrat, standen wir eine Viertelstunde später den selben Spielern ein weiteres Mal gegenüber. Zu deren sichtlichem Unbehagen, da sie nun um so verbissener kämpften; auch mit einigen etwas zweifelhaften Einlagen. Sie änderten die Taktik: gingen keinerlei Risiko ein, spielten auf Lücke, verzögerten und nahmen dem Spiel etwas vom olympischen Gedanken und Spielgeist. Wenngleich auch der Einsatz der "Besserwisser" ja fast als heldenhaft zu bezeichnen ist, so siegten endgültig doch die Schweden.

Nun ja, wir hatten sehr viel Spaß an den Spielen, sei es als Zuschauer oder auf dem Feld, und ob man dann gewinnt oder verliert, ist am Ende garnicht so wichtig. Immerhin können wir sagen: "Wir sind dabei gewesen, und waren auch ziemlich gut".

An diesem Abend grillten wir im Licht der untergehenden Sonne bis in die Morgendämmerung. Von dem Fest an der Universität bekamen wir - da zu dem Zeitpunkt, an dem wir dort vorbeischauten, alles im wahrsten Sinne des Wortes schon im Auflösen begriffen war - nur noch die reine Anarchie und die Wirkung von Alkohol auf exzessiv feiernde Studenten mit.


Den Abschluß des Turniers bildete das groß aufgezogene Finalspiel der beiden vom Ausscheidungswettkampf übriggebliebenen besten Mannschaften und die Prämierung des schönsten Kostüme. Hier ist allerdings anzumerken, daß jedes einzelne unserer Spiele weitaus spannender und aufregender war, als das Endspiel; wen wundert's. Am späten Nachmittag bestiegen wir wieder den Nachtzug nach Stockholm, der uns die Gelegenheit gab, ganz allmählich Abschied zu nehmen, von der beeindruckenden nordischen Landschaft und dem, was wir in der vergangenen Woche erlebt hatten.

In Stockholm erwartete uns am nächsten Morgen herrliches Wetter und wir konnten noch einmal den ganzen Vormittag Eindrücke von den malerischen Häusern und Plätzen der Stadt sammeln. Dann zerstreuten sich die einzelnen Reisegruppen nach und nach wieder und flogen über Paris, Brüssel und London zurück nach good old Germany. Die Air France Gäste kamen dabei sogar noch in den Genuß eines Kurztrips in die französische Hauptstadt, wohingegen bei den Passagieren der Sabena aufgrund eines kleinen Handgemenges ein zerbrochenes Brillenglas zu beklagen war.

Erst auf dem Aschaffenburger Bahnhof trafen wir gegen Mitternacht eher zufällig als gewollt und nach erheblichen (durch Fahrplanänderungen bedingten) Chaos erneut aufeinander. Auf dieser unserer letzten Etappe der Heimreise begegneten wir, nach den acht Tagen in Nordschweden, erstmals wieder dem Phänomen der absoluten Finsternis in den Nachtstunden, auch das war für uns zunächst gewöhnungsbedürftig.

Michael Geiger- Hilk


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31.5.1998